Künstler sind oft eigensinnige Menschen mit merkwürdigen Eigenarten.
Obwohl die petrochemische Industrie synthetische Farben hoher Leuchtkraft und Lichtechtheit mit immer neuen Eigenschaften preiswert anbietet, greifen
eigenwillige zeitgenössische Künstler immer wieder auf archaisch anmutende Ausdrucksmittel wie Rost, Asche, Stroh, Fett, Elefantendung, Erde usw. als Bedeutungsträger zurück.
Wer auf gekaufte Farben verzichtet und sich selbst auf die Suche macht, kann zunächst überall auf unserem Planeten von Menschen hergestellte und dann nach Gebrauch auch in einsamsten Winkeln „vergessene“ Wertstoffreste finden. Der Mensch hinterlässt im Zeitalter des Anthropozäns überall seinen Abfall, Rost, Asphalt, Bauschutt (gebrannte Ziegel), Plastik und verbrannte Vegetation, manches durchaus geeignet, um daraus Farbe herzustellen.
Reste Menschlicher Aktivität und möglicher Farbrohstoff, z.B. rostiger Schrott, Holzkohle
Die Natur hält aber einen Schatz an mineralischen Farben bereit, die weit vor dem Auftauchen der ersten Menschen entstanden, nicht überall leicht zu entdecken und bequem zugänglich sind, und Künstler von der Steinzeit bis in die frühe Neuzeit begleitet haben. Von diesen Farben ist hier die Rede.
Ergeben sich neue Perspektiven in der Kunstrezeption, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Künstler bis ins frühe 19. Jahrhundert fast nur mit mineralischen Farben gemalt haben - jeden Morgen frisch vom Gesellen angerieben? Erst die massenhafte industrielle Produktion synthetischer Farben ließ Jahrtausende alte Erfahrung mit diesen Naturfarben in Vergessenheit geraten. Was haben diese natürlich gewachsenen Farbrohstoffe gegenüber den mit hohem technischem Aufwand hergestellten synthetischen Farben an Vorzügen zu bieten? Welches emotionale und sinnliche Potential hat ein Teelöffel voll selbst gefundenen und eigenhändig hergestellten Erdpigments? Welche Rolle spielt dabei die Entdeckung einer zweiten, unter der Vegetationsschicht verborgenen farbigen Landschaft und deren Entstehung? Jeder Ort hat seine Farbe. Ist es der vermisste elementare Kontakt zwischen Künstler und Ausdrucksmittel wie in den Zeiten der Höhlenmalerei, als die Menschen sich ihre Farben in ihrer Umgebung suchten und sich diesen Ort dadurch besonders vertraut machten? Oder ist es das Streben nach Autonomie und Individualität in der Wahl der Rohstoffe und Bindemittel, im Einfachen höchste Qualität (z.B. Lichtechtheit) zu finden? Ist es das Ausloten der Chancen, verlorene Sinnenhaftigkeit wieder zu entdecken? Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass gerade unsere optische Umwelt trotz häufig banaler Inhalte immer lauter und schneller Fortissimo spielt und dazu im Kontrast z.B. die ruhige und natürliche Harmonie von Erdfarben als überaus wohltuend empfunden wird?
Das alles - und nicht Verweigerung moderner Technik oder „Zurück-zur-Natur-nostalgie“ - hat eine Rolle gespielt, als Klaus Zöttl ab dem Jahr 1996 ein zeitgenössisches konzeptionelles Kunstprojekt begann und abseits ausgetretener Pfade im südfranzösischen Département Hérault ein 50 km x50 km großes Gebiet nach Erdfarben untersuchte. In Feldstudien entdeckte und dokumentierte er über 120 verschiedene Erd- und Mineralfarben inklusive der seltenen Mineralien Azurit und Malachit (Blau und Grün). Farben sind unmittelbar wieder als kostbarer, ort-spezifischer Teil der Natur erlebbar.
Davon handelt diese Web-Site.
Farbige Kiesel in einem ausgetrockneten Flussbett
Vom mineralischen Rohstoff zur Farbe
Zur Dokumentation gehören Fotografien der Fundstellen, archivierte Rohstoffe mit genauen Herkunftsangaben, Werkzeuge und Verfahren zur Pigmentgewinnung, Pigment- und Farbproben, Bindemitteltestserien, Erprobung in Bildern etc.
Abgeschlossen wurde das Hérault-Projekt durch mehrere Ausstellungen in Deutschland und Frankreich. Die bedeutendste war wohl die Einladung ins Pariser Hauptquartier der UNESCO im Jahr 2002.
Anlässlich dieser Ausstellung schrieb am 30.09.2002 der Präsident der 31.UNESCO-Generalkonferenz:
„Peace is main UNESCO´s mission. When J see the intensity of Love for the nature in these works, and when J see how colourful the simple earth can be manifested in art, J come to this conclusion that we should try to inject art more and more in our conceptual approach towards our mission. J received a unique feeling from looking at this relation to the earth by the Artist.”
Ahmad Jalali
President of UNESCO General Conference
Weitere Recherchen führten Klaus Zöttl auf die Kanareninsel La Palma (Auftragsrecherche Vulkanfarben) und aktuell in den Meteoritenkrater Nördlinger Ries (Impaktfarben). Er konnte dabei auf wesentliche im Héraultprojekt gesammelte Erfahrungen zurückgreifen.